Santiago de Compostela – ein Fragezeichen

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Am 12.04.2017 sollte es soweit sein… Wir erreichen nach ewigem Landstraße juckeln das vielgerühmte Santiago de Compostela. Wir haben lange davon geträumt hier zu sein. Wollen ein Stück des Camino de Santiago selbst erlaufen. Angefixt von Hape Kerkeling himself und den wunderbaren Impressionen seines Filmes „Ich bin dann mal weg“….

Ach ja, träumen ist so schön. Denn als wir endlich, nach einer Odyssee sondergleichen, auf dem sehr wenig ansprechenden Stellplatz mitten in der tatsächlich sehr hässlichen City ankommen, verschlägt es uns erstmal die Sprache. Aber nicht im positiven Sinne. Dazu später…

Der Weg zur Erleuchtung war, wie es sich gehört, mit wahnsinnigen Entbehrungen verknüpft. Unser Navi schickt uns, wenn es nicht gerade einen Fatal Error anzeigt, zu unserem auserkorenen Ziel –  ein Weingut. Wildromantisch hatte ich es mir ausgemalt. Vielleicht ne Weinprobe, ein paar Tapas und eine tolle Kulisse mit der Cathedral de Compostela. Vor unseren geistigen Augen sehen wir uns bei der Pilgermesse, den kunstvoll handgearbeiteten Weihrauchwerfer mit einem Wahnsinnstempo über unsere Köpfe rasen. Wir haben da so unsere Vorstellungen! Die Realität war eine ganz andere! Nachdem der Weg zum Stellplatz uns über kaum überwindbare enge Sträßchen führt, Nicki und unser Dicker keuchen und schnaufen, schmieden wir einen neuen Plan. Es gibt ja nicht nur diesen einen  Stellplatz in Santiago;) Also Google Maps befragt und prompt gibt es eine nächste Möglichkeit. Wenn man taub und blind ist wäre  dieser Platz vielleicht eine Alternative gewesen. Hape, wo hast du nur diese Bilder von Santiage de Compostela her???? Der 2. Platz fällt somit auch ins Wasser. Möglichkeit Nr. 3 soll es dann werden. Egal wo, nur endlich ankommen, Stühle und Tisch raus, nachdem wir uns noch nen Überblick verschafft haben. Tisch und Stühle müssen warten, wir haben Kohldampf… Beim Einfahren auf den nicht wirklich schönen Platz haben wir eine extrem spanische Möglichkeit gefunden was essbares abzustauben… Taverna a la gaviota de Oro ( für alle Nichtspanier Mc Donalds 🙂 Endlich was zu beißen und dann, ja dann wollen wir den Zauber Santiagos erleben…. Wie gesagt, wir haben unsere Vorstellungen… Mit dem Handynavigator in der Hand geht es los. 3,5 km geradeaus. Und… wir sehen die Turmspitzen der Igrexia (Iglesias) de San Francisco… ein schönes Stückchen Altstadt finden wir dann doch noch. Ein riesiger Platz voller Menschen, vor allem Pilger mit nicht nur bildlich gesprochenen blutigen Füßen und das Highlight die Cathedral de Santiago de Compostela…  Wir wollen rein, es ist 19:00 Uhr und gleich beginnt noch einmal die sagenumwobene Pilgermesse. Das schwingende riesige Weihrauchgefäß, wir wollen das unbedingt sehen!!! Die Cathedral füllt sich und unsere Erwartungen steigen ins Unermessliche. Die Security verbietet Foto- und Filmaufnahmen während der Messe und wir werden immer aufgeregter. Mit nassen Händen umklammert Nicki die Kamera um unerlaubt doch mitzufilmen oder Fotos aus der Hüfte zu schießen. Eine Ordensschwester kommt und beginnt mit engelsgleicher Stimme ein Gebet zu singen. Im Nachhinein betrachtet, das schönste was wir je in unserem Leben gehört haben und das ist kein Witz! Die Messe neigt sich dem Ende und wie erwartet schwingt natürlich das vielgerühmte Weihrauchgefäß, wie kann es anders sein, NICHT!!! Enttäuschung macht sich breit. Zumal zu gleicher Zeit ein Umzug geplant war den wir, mittlerweile fast erfroren, nicht mehr von Anfang an erleben werden. Dank mobilen Internets und einem kurzen Programmdownload wissen wir wohin wir gehen  müssen um noch etwas vom Umzug zu sehen und für uns und euch festzuhalten. Es ist tatsächlich ein kleines Spektakel in einer netten Altstadt. Büßer in Kutten, mit Masken wie vom Ku-Klux-Klan, schreiten durch die Straßen. Teilweise mit nackten Füßen, mit Wappen und Musikinstrumenten behangen. 

Leider merkt man auch hier den allgegenwärtigen Caminotourismus. Es scheint für niemanden mehr etwas von wirklicher Bedeutung zu sein. Schade, denn uns reißt das Ganze dann doch irgendwie mit. Wir schlendern zurück zum Auto, nicht ohne nochmal nach einem an einer Laterne angeleinten Hündchen zu sehen, den Nicki fast aus Tierliebe adoptiert hätte. Der Besitzer hätte sich sicher sehr gewundert… Also Gott sei Dank das Hündchen war nicht mehr da….. Zurück am Auto Pläne schmieden für die nächsten Tage, schließlich wollen wir 3 ganze Tage hierbleiben. Kurze Zeit später steht fest: wir reisen ab! Ja, wir wollten eigentlich noch Osterumzüge ansehen und ja, das Weihrauchgefäß. Bereit, der gierigen Kirche noch eine generöse Spende in Höhe von mehreren hundert Euro zu überlassen, sind wir in keinster Weise. Wir übernachten relativ gut und am nächsten Morgen soll es weitergehen. Aber langsam.

Der nächste Morgen und es ist Markttag in Santiago de Compostela. Nachdem uns gestern die Standt so enttäuscht hatte, hoffen wir nun auf ein wirkliches Highlight: ein typisch spanischer Markt Obst und Gemüse, Brot und Käse aus der Region – ach ich bin manchmal so naiv;) Wir stürzen uns mittenrein ins Getümmel. Stetig schieben wir mit der drängelnden Masse vorwärts. Was gibt es denn nun, wir fühlen uns in die DDR, 30 Jahre zurückversetzt… Eine kurze Sorge im Hinterkopf, hoffentlich schlafen die Los Langfingeros noch! Aber auch hier verfolgt uns die Enttäuschung. Die kauflustigen Spanier stürzen sich auf alles was in Deutschland keinen mehr hinterm Ofen hervorlockt: Schlüpper für Oma, Socken und Schuhe – alles Fake. Unsere Geldbeutel bleiben voll und wir verlassen sehr geerdet Santiago de Compostela in der Hoffnung auf ein schöneres ??Spanien!

 

 

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