MITTENDRIN STATT NUR DABEI…

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Heute ist der 31.7.2018 und ich hab keine Ahnung, wie ich unsere heutigen Erlebnisse in einem Blogpost verfassen soll. Wie ihr wisst hatten wir Tallin ganz oben auf unserer Wunschliste … nach diesem Tag, ich weiß nicht so recht – doch lest selbst… Der Tag beginnt, für unsere Verhältnisse, früh. Genauer gesagt 2 h zu früh…Nicki hat auf die falsche Uhr gesehen und will mich in meinem wohlverdienten Urlaub um kurz nach 7 aus den Federn schmeißen… Naja, wenn wir schon mal wach sind können wir auch frühstücken und uns fein fürs Städtchen machen. Um Tallin City und natürlich die Altstadt zu erreichen haben wir doch fast 25 km vor uns. Nach dem gestrigen Regenschauer, inkl. Gewitter, vergessen wir auch unsere Regencapes nicht. Nach einer kurzweiligen Fahrt erreichen wir die wuselig, trubelige Stadt Tallin. Vieles erinnert uns an Berlin. Teilweise werden wir alle 200 m von einer roten Ampel gestoppt. Zum Schluss erreichen wir einen Parkplatz unterhalb der Altstadt. Spitze! Die Parkplatzgebühren sind gesalzen und variieren von 2.50 Eur pro 30 min in der 1. Reihe bis 8 Eur für 24 Std. in einigen Reihen weiter hinten. Wir finden ein Plätzchen für unser Motorrad unter einem schattenspendenden Baum und toben los. Ein kurzzeitig aufkommendes mulmiges Gefühl ob eines, ich sag mal, sozial benachteiligten Talliners, der 50 m neben uns containert, wird im Keim erstickt. Auf geht’s in Richtung Kiek in de Kök, wir wollen die unterirdischen Bastionen Tallins sehen und haben Glück. Die Kirchenuhr schlägt gerade 12 und die nächste Tour startet. Gestern haben wir noch, über die das ganze Jahr sehr niedrigen Temperaturen in den unterirdischen Gängen der Bastionen gesprochen‚ immerhin 12 Grad – klamottentechnisch sind wir bei Außentemperaturen von 35 Grad und mehr nicht auf Pullis, Sneakers und Jacken eingestellt. Shit happens! Eine, von den sehr umsichtigen Mitarbeiterinnen des Museums, bereitgestellte Decke sorgt für ein angenehme Klima ohne Zähneklappern und Blasenentzündung. Wir schleichen also hinab in die Gänge unterhalb der Festungsanlage.

Immer schmieriger, feuchter und glitschiger wird unser Weg. Jeder einzelne Trakt hat seine eigene Geschichte. Ob als Bunker, Übungsgelände oder als Obdachlosen- oder Punk-Unterschlupf in heutiger Zeit bis kurz vor Öffnung des Museums – eine beklemmende Atmosphäre. Das Ende der Führung naht und wir durchqueren die unterirdische Galerie mit wunderschönen Exponaten.

Danach hat uns die Sonne wieder! Zurück an der Oberfläche atmen wir genießerisch die warme, frische Luft bevor sich unsere Mägen melden… Hunger! Wir streifen durch die Altstadt und fangen 100e schöne Impressionen ein.

An jeder Ecke lauern wunderschöne Fotomotive, die uns diesen Ausflug unvergesslich machen. Unvergesslich ist das Stichwort! Wir haben ein schönes Lokal direkt an einem belebten Gässchen entdeckt, direkt zwischen Souvenierständen, Eislädchen und Juwellierläden. Unser Essen schmeckt vorzüglich, vom heimischen Saku (Bier), ganz zu schweigen. Plötzlich erfüllt ein Knall die Luft, kurz danach ein zweiter… waren das Schüsse? Glas zersplittert knirschend, 2 Frauen schreien wild durcheinander. Das kurz zuvor so friedvolle Ambiente wird völlig ins Gegenteil verkehrt. Ein Überfall. Was so klingt wie im Film ist und heute tatsächlich passiert! Wir sind Augenzeugen eines Juwellierraubs in nächster Nähe. Unfähig und vor Schock wie gelähmt verfolgen wir die Flucht der Räuber. Polizei! Wo bleibt bloß die Polizei? So richtig fassen können wir immernoch nicht, dass sich direkt neben uns so ein feiges Gewaltverbrechen abgespielt hat. In weiter Ferne ertönt ein Martinshorn, ein zweites, dann ein drittes. Endlich kommen die Hüter des Gesetzes. Die Inhaberin des geplünderten Ladens steht total unter Schock. Um zu helfen macht Nicki eine Aussage und gibt eine Täterbeschreibung ab. Mir schlottern die Knie, mein Herz pumpt wie wild und im Moment kann ich keinen klaren Gedanken fassen. Wir verlassen den Ort des Geschehens, auch um ein wenig Normalität nach dem eben erlebten zu bekommen. Echt krass!!! Doch vorher schauen wir nochmal nach unserem Motorrad….man kann ja nie wissen! Irgendwie ist unser Glaube an das Gute momentan stark erschüttert. Hoffentlich kriegen sie die Kerle! Noch lange über das Erlebte diskutierend besichtigen wir noch die Gefängniszellen des KGB, doch ob der jüngsten Vorkommnisse oder übertriebener Erwartungen werden wir enttäuscht. Selbstverständlich handelt es sich hier um einen Ort früheren Schreckens, doch irgendwie…..Naja, egal! Mit schmerzenden Füßen laufen wir noch ein Stück um irgendwo noch ein Käffchen zu trinken. Wir werden schnell fündig und nehmen Platz. Der Blick in die Speisekarte lässt uns schnell wieder aufstehen. Wir trinken im Auto Kaffee. 11 Euro für 2 Kaffee ist dann doch übertrieben. Wir schlendern Richtung Parkplatz, mittlerweile ist das gesamte Areal um den überfallenen Juwelier abgesperrt, die Spurensicherung ist jetzt vor Ort. Wir wollen noch nicht sofort auf dem Campingplatz zurück – also Handy raus und navigieren…Handy raus! Handy???? Nicki sucht panisch und findet sein Handy nicht. Verdammt! Geklaut! Mist! Panik macht sich breit. Das gibt es doch nicht. Wir holen erst nochmal tief Luft und schauen wieder und wieder alles nach. Nichts! Verschwunden! Genau wie Nickis Gesichtsfarbe. Was nun? Mit fällt nur ein anrufen und den Dieb so was von zur Schnecke machen. Wir haben Glück, es klingelt. Nichts. Ich versuche es wieder und wieder bis…….ja bis sich eine, zugegeben nette, Frauenstimme an der anderen Seite meldet. Wir haben das Telefon bei unserem überstürzten Verlassen des Cafes liegengelassen! Nix Dieb, nix geklaut. Manchmal muss man auch mal Glück haben! Mit Handy bestückt geht’s ab zum Moped und raus aus der Stadt. Hallelujah – was für ein Tag!

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